Ein Artikel von Prof. Veronika Bellone.
Berufliche Selbstständigkeit – für viele ein Traum, für einige ein Alptraum. Studien, wie die des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn (IfM) von 2013, zeigen immer wieder auf, dass zwar mehr als 75 Prozent der Unternehmen die Gründungsperiode überstehen – doch nach rund vier bis fünf Jahren scheidet mitunter jedes zweite neu gegründete Unternehmen aus dem Markt aus oder rutscht unter die Umsatzschwelle von 17.500.- Euro pro Jahr (IfM-Studie 2013). Warum scheitern über zwei Drittel der Existenzgründerinnen und Existenzgründer in den ersten fünf Jahren?
Drei Hauptkriterien des Scheiterns
1. Fehlende Positionierung und Strategie: Der Markt wurde zu wenig untersucht, Kundenbedürfnisse nur rudimentär ermittelt und die eigene Positionierung in diesem Umfeld nicht klar herausgearbeitet. Es wurde also keine SWOT-Analyse vorgenommen (Strengths/ Stärken; Weaknesses/ Schwächen; Opportunities/ Möglichkeiten; Threats/ Risiken) und daraus folgend die „Wegbeschreibung“ also Strategie zur Erreichung von Zielen ermittelt
2. Mangelndes Durchhaltevermögen: Um sich am Markt zu behaupten braucht es einen „langen Atem“ und damit auch die finanziellen Mittel, um durchzuhalten. Leider sind viele Neuunternehmen von Beginn an finanziell zu schwach aufgestellt, um es mit einer Durststrecke von drei bis fünf Jahren aufzunehmen. Das blockiert die Entfaltung der Geschäftstätigkeit, weil damit auch mentale Blockaden stattfinden, die durch die Existenzangst hervorgerufen werden.
3. Scheitern an sich selbst: Erst in „Extremsituationen“ wie dem Start in die berufliche Selbstständigkeit wird bewusst, was es heisst, sich mit Selbstdisziplin die Arbeitswoche zu gestalten, kein regelmässiges Einkommen zu haben, aber Mitarbeitenden einen Lohn auszuzahlen und den vielfältigen Rollen als Unternehmer/in gerecht zu werden.
Was bedeutet das für potenzielle Franchise-Geber/innen?
Franchise-Geber/innen fangen in der Regel – ausser es handelt sich um Konzern-Franchisen – als Existenzgründer/innen an. Die Anhaltspunkte zu der vorgenannten hohen Scheiterungsrate sind nicht nur für das Vorbeugen entscheidender Anfangsfallen wichtig, sondern ebenso für das messbare, erfolgreiche Vorgehen mit dem eigenen Geschäftskonzept. Es gibt auch Hinweise auf die Integration von späteren Franchise-Nehmer/innen. Angehende Franchise-Geber/innen, die mit ihrem Geschäftskonzept wachsen wollen, müssen diese Anfangshürden überwunden haben und klar wissen, was ihren Erfolg ausmacht, wodurch sie sich von anderen Mitbewerbern abgrenzen und wie ihr weiterer Weg zu nachhaltigem Wachstum aussieht . Sie müssen wissen, wie sie ihr Know-how beschreiben, standardisieren und übertragbar machen und mit welchen Persönlichkeitsprofilen sie dies realisieren können und wollen.
Wie lässt sich die Erfolgsdimension testen?
Im Zentrum für das zukünftige Angebot von Franchise-Existenzen steht immer die Überprüfung des dokumentierten und realisierten Geschäftskonzeptes in einem Pilotbetrieb. Pilot kennzeichnet den vorausgeschickten Versuch, als Test zur Klärung oder Feststellung von etwas in Bezug auf zukünftiges Gelingen (vgl. Duden). Der Pilot- oder Testbetrieb muss immer als mindestens zweite Filiale verstanden werden, um daraus den möglichen, dezentralen Erfolg abzulesen. Kann das Konzept auch an einem anderen Standort Umsatz generieren und das in einer vertretbaren Frist? Welchen Support benötigt der dortige Personalstamm, der quasi als Vorbild dient für die zukünftige Franchise-Nehmer-Organisation? Stehen der Aufwand von Unterstützungsleistungen und der Umsatz in der Filiale im Verhältnis? Rechnet sich der Aufwand, wenn zukünftig „nur“ Umsatzgebühren an die Systemzentrale fliessen? Stellt das Geschäftskonzept eine nachhaltig attraktive Existenz für die Franchise-Nehmer/innen dar? Es schliessen sich noch viele andere Überlegungen und Fragen an, die die Tragfähigkeit und Wirtschaftlichkeit des Konzeptes sowie die längerfristige Bindungsqualität der Kooperation messen.
Franchising, berufliche Selbstständigkeit auf der Überholspur!
Nicht selten wird diese Beschreibung als Erfolgsfaktor des Franchisings für die Suche von potenziellen Franchise-Partnern und –Partnerinnen genutzt. Das impliziert bereits, dass der Erfolg autonomer Selbstständiger langwieriger ist bzw. in Anbetracht der anfänglich genannten Scheiterungsrate auch in eine Sackgasse führen kann. Die Quintessenz daraus heisst jedoch, dass die Verantwortung der Franchise-Geber/innen ihren Franchise-Nehmern und -Nehmerinnen gegenüber entsprechend hoch sein muss. Das Vordenken, Weiterentwickeln und Testen bleibt weiterhin das Aufgabenfeld der Franchise-Geber/innen. Der umsichtige Umgang mit den unternehmerischen Existenzen über ein adäquates Partnermarketing ist dabei der qualitative Nährboden für ein nachhaltiges Wachstum im Sinne des Greenfranchisings.
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Prof. Veronika Bellone
© 05-2017